Leitbild

Kirchliche Jugendarbeit

Der evangelische Kirchenkreis Marburg ist Träger der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit im Kirchenkreis Marburg (ejm). Der Kirchenkreis ist geprägt von unterschiedlichen sozialen und religiösen Milieus, seien sie städtisch, ländlich, sozial prekär oder auch wohlhabend. Auch die christliche Prägung ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die Lebenssituation der Menschen ist grundsätzlich geprägt von einer Pluralisierung der Lebensformen und von einem Abbruch selbstverständlicher familiärer und religiöser Traditionen. Als Teil einer multikulturellen Gesellschaft möchten wir in unserer Arbeit Kinder und Jugendliche bei ihrer Suche nach Identität und Orientierung begleiten. Dies bedeutet, die eigene evangelische Identität deutlich zu zeigen, denn nur von klaren Standpunkten aus können unterschiedliche Ansichten ins Gespräch kommen. Zum evangelischen Standpunkt gehört es, in der Orientierung daran, wie Jesus auf Menschen zugegangen ist, anderen offen zu begegnen und sie in ihren Ansichten zu respektieren. Evangelische Verantwortung bedeutet auch, sich in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen und sich für ein gutes ökumenisches interreligiöses Miteinander einzusetzen.

Unsere Leitvorstellung

Ziel unserer Arbeit ist es, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auf ihrem Weg der Persönlichkeits- und Glaubensentwicklung zu begleiten. Wir wollen sie in ihrer Suche nach Freiheit und Selbstentfaltung ernst nehmen, fördern und fordern. Einen Fokus legen wir dabei auf die Ermutigung zu einem authentischen und selbstbewussten Auftreten sowie auf Respekt und Toleranz gegenüber den Werten, der Haltungen und dem Glauben anderer Menschen. Unser besonderes Augenmerk liegt dabei darauf, für junge Menschen Räume zu schaffen, in welchen Kommunikation, Information und Auseinandersetzung mit der eigenen Sicht auf die Welt möglich ist. Wir wollen dabei auch deutlich machen, dass menschliches Leben bei aller Individualität vor allem in Gemeinschaft gelingt. In diesem Entwicklungsprozess verstehen wir uns als Partner, die verlässlich da sind und Möglichkeiten der Orientierung anbieten.

Unsere Basis

Unsere Arbeit orientiert sich an der Botschaft Jesu Christi und seiner Verkündigung des Gebotes der Nächstenliebe, wie sie im Evangelium überliefert ist. Sie ist unmittelbarer Ausdruck kirchlichen Handelns und basiert auf der Freiheit und Selbstgewissheit, aus der Jesus lebte und anderen Menschen begegnete. Seine Botschaft ermutigt zur Suche nach dem eigenen Weg und zur Akzeptanz eines jeden Menschen, die im evangelischen Glauben fundiert ist. Sie fordert uns alle heraus, Verantwortung für sich selbst und die eigene Gemeinschaft zu übernehmen sowie anderen Menschen mit einer wertschätzenden, fairen und friedvollen Haltung zu begegnen.

Der alttestamentliche Schöpfungsgedanke verbindet uns mit anderen Religionen und ist zugleich Auftrag, umsichtig mit der uns anvertrauten Schöpfung umzugehen. Die Verkündigung Jesu erinnert daran, dass wir dabei auf die Hilfe und letztlich Erlösung durch Gott selbst vertrauen können. Gerade dieser Gedanke führt zu einer Grundhaltung einer engagierten Gelassenheit, die in Zeiten von Überforderung und Orientierungslosigkeit für Erwachsene wie Jugendliche eine wichtige Hilfe sein kann.

Unser Profil

Zum Profil unserer Arbeit gehören folgende Grundpfeiler:

Offenheit, Freiwilligkeit, Partizipation und Gemeinschaft

Offenheit ist der erste Grundpfeiler unserer Arbeit. Dazu gehört zunächst einmal die Offenheit gegenüber unseren Zielgruppen. Unsere Arbeit richtet sich an alle Kinder und Jugendliche, unabhängig von ihrer Herkunft, Sprache, kultureller oder religiöser Prägung sowie körperlicher oder geistiger Bedingungen. Für uns ist ein Miteinander von Menschen in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit, z.B. mit und ohne Behinderung, selbstverständlich. Dies als Gemeinschaft erlebbar zu machen, ist uns ein wichtiges Ziel. Dabei legen wir auf einen wertschätzenden Umgang und den wechselseitigen Respekt wert. Die Offenheit für die Vielfalt wird in der Unterschiedlichkeit der Aktivitäten und Angebote erkennbar. Ausgangspunkt hierfür sind die verschiedenen Lebenswelten der Jugendlichen, deren Herausforderungen wir mit unserer Arbeit aufmerksam und achtsam begegnen wollen. Wir verstehen unsere Tätigkeit als subjektorientierte Kinder- und Jugendarbeit. Mit unserer Arbeit wollen wir Kinder und Jugendliche in ihren Lebenswelten erreichen und sie für eine offene und sich selbst bewusste sowie selbst vertretende Haltung sensibilisieren und gewinnen. Das Prinzip der Freiwilligkeit ist dabei grundlegend. Wichtige Parameter unserer Arbeit sind Partizipation, Beteiligungs- und

Entscheidungsformen. Sie sind Ausdruck von Gleichberechtigung und Teilhabe und haben die Förderung eines guten Demokratieverständnisses und die Stärkung des eigenverantwortlichen Handelns von Kindern und Jugendlichen zum Ziel.

Wertschätzung und Wertbildung

Eine offene Haltung sich und anderen gegenüber, wie sie im christlichen Doppelgebot der Liebe “Liebe deinen Nächsten wie dich Selbst” zum Ausdruck kommt, kann nur ein Mensch einnehmen, der von dem unbedingten Wert und der Würde seines eigenen und eines jeden Menschenlebens überzeugt ist. Die Erfahrung von Wertschätzung, Vertrauen und des Angenommenseins sind hierfür zentrale Voraussetzungen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, diese Wertschätzung des eigenen wie des anderen Lebens, als von Gott geliebte Menschen, selbst zu leben und Kindern und Jugendlichen zu vermitteln.

Das beinhaltet einen wertschätzenden, ressourcenorientierten Blick auf die Kompetenzen, Gaben und Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen, auf ihre Suche nach Werten, Normen und Orientierung, in einer zunehmend pluralistischen und unübersichtlicher werdenden Welt. Fähigkeiten und Kompetenzen sollen geweckt und gefördert werden. Christliche und demokratische Werte und Normen des respektvollen Umgangs, der Nächstenliebe und der Gleichberechtigung, werden in gemeinsamer Interaktion vermittelt und erfahrbar gemacht.

Dazu gehört es auch, Grenzen von Toleranz und Offenheit zu markieren und über sie zu sprechen.

Gendergerechte Begleitung

Es hat sich gezeigt, dass sich eine wertschätzende geschlechter- und gendergerechte Begleitung Jugendlicher auch an nonbinären, trans- und intergeschlechtlichen Identitäten, sowie an einer großen Diversität an Beziehungsformen und zwischenmenschlichen sexuellen Orientierungen ausrichten muss. Aus diesem Grunde streben wir eine Begleitung an, welche die individuellen, unterschiedlichen Bedingungen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in ihrer geschlechtlichen, sozialen und sexuellen Entwicklung berücksichtigt.

Wir erkennen dabei die Unterschiedlichkeit in der Sozialisation, Anlage und gesellschaftlichen Akzeptanz der jeweiligen Personen an und berücksichtigen diese in unserer Arbeit. Wir respektieren und unterstützen dabei die individuelle Selbstfindung, Selbstverwirklichung und Selbstbeschreibung der jungen Menschen und stärken sie auf diesem Weg.

Die Begleitung der individuellen gender- und geschlechtsspezifischen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen basiert auf der Grundlage der Gleichberechtigung und den Prinzipien der Antidiskriminierung.

Christlicher Glaube und religiöse Identitätsbildung

Vertrauen und Sehnsucht sowie Beziehungsfähigkeit gehören als religiöse Grundmuster von Kind an zu uns als Menschen. Kinder zeigen von Anfang an ihre Lust sich auf das Leben einzulassen und es zu gestalten ebenso wie die Sehnsucht danach, dass es gut wird. Sie tragen ein Geheimnis in sich, das über die Wirklichkeit hinausweist, die Ahnung von etwas Heiligem, von mehr als dem greifbar-sichtbaren. Diese spirituelle Kompetenz nehmen wir ernst und machen Mut den eigenen Erfahrungen zu trauen.

Zugleich wollen wir die christliche Deutung und christliche Antworten auf die Fragen nach Sehnsucht und Vertrauen mit ihnen teilen und diskutieren. Die Gemeinschaft, in der dies geschieht, soll frei davon sein, Jugendlichen Meinungen oder Glaubensansichten in den Mund zu legen, als müssten sie diese unreflektiert übernehmen. Dazu soll die Gemeinschaft so gestaltet werden, dass die Jugendlichen sich ohne Leistungszwang begegnen können.

Die christliche Sicht auf die Welt ist uns als gelebte Religiösität wichtig, die nicht isoliert steht, sondern alle Lebensbereiche durchdringt und für die Jugendlichen in unterschiedlichen Lebensbereichen erfahrbar wird. Daher sind uns Schnittstellen sowohl zum kirchlichen Gemeindeleben als auch zum religiösen Leben anderer Religionsgemeinschaften wichtig.

Eine wesentliche Aufgabe der Mitarbeitenden der Evangelischen Kinder- und Jugendarbeit im Kirchenkreis Marburg besteht darin, auf der Basis der christlichen Überzeugung bei der Sinnsuche von Kindern und Jugendlichen authentische Gesprächspartner*innen und Lebensbegleiter*innen zu sein.

Umgang mit Ressourcen

Das Wissen um die Begrenztheit unserer Ressourcen und die zunehmende Abnahme volkskirchlicher Milieuprägung führt dazu, dass die Verteilung von Ressourcen neu bedacht werden muss.

Die Geschwindigkeit, mit der kirchliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sich ändern bedeutet, dass die Arbeit der ejm flexibel und mit Offenheit für Veränderungen organisiert werden muss.